Zertifizierte Gynäkologische Krebszentren, eine gute Adresse bei einer seltenen Erkrankung wie dem Vulvakarzinom?

Ist man von einer seltenen Erkrankung betroffen, ist es nicht nur sinnvoll, sondern sicherlich von großem Vorteil, nach einem Arzt mit Erfahrung oder sogar starkem Engagement auf diesem speziellen Gebiet zu suchen. Nur, wie finde ich einen Spezialisten für eine Erkrankung? Kann ich mich bedenkenlos auf eine sogenannte „Zertifizierung“ verlassen?

Bei Zertifizierungen ist natürlich zu fragen, wer wen in welchem Kontext zertifiziert. Grundsätzlich sind Vorgänge wie Fortbildung, Dokumentation, patientinnenorientiertes Gespräch, interdiszplinäre Versorgung Grundlagen von guter Versorgung. Aber wie sieht dies speziell aus?

Gemäß den Vorgaben des nationalen Krebsplans wird zwischen „Organkrebszentren“ (diese behandeln die häufigen Krebserkrankungen wie z.B. Brustkrebs) und „Onkologischen Zentren“ unterschieden, die eine zusätzliche Spezialisierung auf seltenere Tumorerkrankungen (z.B. Blutkrebs) haben sollen. Zu letzteren gehören auch die „Gynäkologischen Krebszentren“ – dies ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung hin zur Spezialisierung. 

Kliniken, die sich als „Gynäkologische Zentren“ zertifizieren lassen wollen, müssen laut Erhebungsbogen von OnkoZert einige Bedingungen erfüllen, die eine gute und umfassende Behandlung/Betreuung von Patientinnen sicherstellen sollen. Dazu gehören beispielsweise ein Netzwerk von Fachärzten, regelmäßige Besuche von Fortbildungsveranstaltungen, Tumorkonferenzen mit allen beteiligten Medizinern, Zugang zu psychoonkologischer sowie sozialrechtlicher Versorgung und nicht zuletzt auch Kooperationen mit Selbsthilfeorganisationen. 

Eine durchaus positive Entwicklung in Sachen Patientenversorgung. Aber genügen diese Aspekte beim Vulvakarzinom?

Die Zentren werden in der Regel als Top-Adresse für eine gute Therapie präsentiert und beworben. 

Leider fehlen belastbare Belege für diese Aussage bei VIN- und Vulvakarzinom-Patientinnen.

Wenn man die geforderten Strukturen mit einem Netz vergleicht, müssen wir ganz klar sagen, dass die Maschen dieses Netzes für unsere Erkrankung immer noch viel zu groß sind, denn derzeit gibt es beim Zertifizierungsprozess keine hinreichenden Qualitätsindikatoren, deren Blickwinkel speziell auf unsere Erkrankung ausgerichtet sind. Und leider spiegelt sich das in Therapieergebnissen wider, bei denen es für Patientinnen inakzeptable Qualitätsunterschiede gibt. 

Daher können wir als informierte Patientinnen nicht dazu raten, blind auf die Zertifizierung zu vertrauen! Gerade beim Vulvakarzinom ist nach unserem Ermessen eine spezielle Qualifikation und die persönliche Erfahrung des Operateurs und seines Teams bezüglich der aktuellen operativen Techniken abesonders wichtig. Leider ist eine solche Qualifikation aber bisher nicht Gegenstand des Zertifizierungsprozesses geworden. 

Bei der Erstellung der Leitlinie zum Vulvakarzinom haben wir darauf hingewiesen, dass derzeit noch nicht einmal aussagekräftige vergleichende Untersuchungen zur Realisierbarkeit einer interdisziplinären und interprofessionellen Behandlung mit allen notwendigen Fachdisziplinen und Berufsgruppen in zertifizierten Zentren im Vergleich zu nicht zertifizierten Kliniken vorliegen, es gibt hier wie dort Beispiele für gute oder für schlechte Therapieergebnisse Patientinnen können auch in einem zertifizierten Zentrum aufgrund einer schlechten Therapie ihr Genitale verlieren, weil ihr Operateur sich nicht mit dieser Erkrankung auskennt. 

Bei Patientinnen kann eine falsche Vorstellung über die Aussagekraft einer Zertifizierung Missverständnisse hervorrufen, die zu tragischen Ergebnissen führen kann. Patientinnen sollten nicht in falscher Sicherheit gewiegt werden, denn das hält häufig davon ab, Fragen zur Erfahrung des Arztes mit dem Vulvakarzinom zu stellen und sich im Zweifelsfall mit einer qualifizierten Zweitmeinung abzusichern. So „schön“ es ist, wenn einem diese Verantwortung abgenommen und eine Auswahl/Entscheidung erleichtert werden soll, in diesem Fall können wir nicht empfehlen, dies auch zuzulassen. Es sollte dem Schock der Diagnose nicht auch noch der Schock einer schlechten Therapie folgen – und die Bedingungen dafür muss frau leider selbst schaffen.

Somit bleibt als Schlussfolgerung für die betroffene Frau: Sie muss sich trotz allem guten Willen selbst kümmern und in Gesprächen herausfinden, ob sie tatsächlich an der richtigen Stelle gelandet ist.

Hierbei könnten die Informationen der „VulvaKarzinom Hilfe zur Selbsthilfe“ bei der Entscheidungsfindung von Vorteil sein. Auch die ausgearbeiteten Orientierungshilfen mit gezielten Fragen an Mediziner helfen möglicherweise bei der Wahl des Spezialisten, um eine optimale Therapie für ein Maximum an Lebensqualität zu erhalten.

Denn wie heißt es so schön: Gut gerüstet kann die Patientin ihrem Arzt auf Augenhöhe begegnen!